Meinung oder Handlung?

Ich holte heute morgen die Zeitung ... ja sowas hab ich noch. Fragt mich nicht, warum. Und da war dann die Schlagzeile dass dieser Sigmar Gabriel den Till Schweiger angerufen hat.

What the fuck? (das war mein erster Gedanke)

Wer ist hier blöder? Der Gabriel, der Schweiger oder die Zeitung? (Zweiter Gedanke)

Ist das Satire, nee die Waz. 

Der blöde Schweiger, mit seiner nervenden Stimme. Der ist dumm wie Brot und seine Filme sind unterirdisch.

Der blöde Gabriel.

Wat? der Schweiger hat mehr als eine Million Klicks für seinen Rant bekommen?

Der blöde Schweiger.

Ich habs nicht gelesen.

Hätte ich es lesen sollen?

Ich mag nicht mehr lesen was xy über die Flüchtlinge denkt.

Mich regt diese ganze Flüchtlingssache saumässig auf.

Mich regt auf, dass der Schweiger sich nun damit profiliert.

Mich regt auf, dass der Gabriel jetzt den Schweiger um Meinung fragte. Ist der zu blöd dazu, eine eigene zu haben? Muss der den blöden Schweiger fragen?

Ich muss da was auf facebook drüber schreiben.


Ich hab angefangen und gemerkt ... halt! das geht ganz in die falsche Richtung. Wenn du sagst, was du gerade denkst, dann denken alle, du hast was gegen Flüchtlinge. Und das hab ich nicht.

Und das will ich eigentlich auch nicht erklären müssen.

Und ich will mir auch nicht sagen lassen müssen, dass der Schweiger garnicht so blöd ist, wie ich den finde. Und dass der Herr Gabriel noch blöder ist, was mir rechtschaffen egal ist.


Ich bin mega-unpolitisch.

Und ich hab jetzt darüber nachgedacht, warum. Warum ich mich gegen das Posting entscheiden habe. Obwohl eine die etwas dazu geschrieben hat, recht hat: wenn die Klugen nix sagen, regieren die Dummen.

Ich bin aber nicht klug. Ich bin nur ... basic.


Also: ich bin gerne voller Vorurteile, Ich mach mich gerne lustig über Dinge und ich hab gerne Meinungen. Aber: Das ist alles heiße Luft. Das ist nichts, was wirklich ICH bin. Denn:


WAS ZÄHLT SIND HANDLUNGEN!


Was zählt ist doch, wie ich mich verhalte, wenn das echte Leben ruft. Wenn ich wirklich mit armen Leuten und Flüchtlingen und Randgruppen und Schweigers zu tun habe.


Was ich über den Schweiger weiß, ist doch alles Humbug. Ich hab die meisten seiner Filme nicht gesehen und meine "Meinung" über ihn basiert auf Frauenzeitschriftenberichten.

Ich kenn den Herrn Gabriel nicht und bin leider auch total unpolitisch.


Aber ich weiß, wie ich mich im echten Leben verhalte. Wenn es darum geht, dass in einem Nachbarhaus Flüchtlinge einquartiert werden, dann freu ich mich.

Wenn ich höre, dass Leute wieder braunes Gedankengut rauskramen, dann ärger ich mich. Und ich werde jeden entfreunden, der das tut. Auch im echten Leben.


In meinen Büchern geht es ja ständig um Ausgrenzung. Um Fremdenfeindlichkeit.

Und in meinem Leben ist es auch oft nah, ob Flüchtlingskinder in der Schule meines Kindes oder das Heim umme Ecke. 

Ich liebe die Vielfältigkeit. Ich liebe es, gastfreundlich zu sein. Ich liebe die Idee einer Welt in der man nicht BEURTEILT wird nach dem, wie man aussieht, wieviel Geld man hat oder wo man herkommt und wen man liebt beurteilt wird. Aber wir Menschen sind noch nicht so weit.

Ich persönlich, auf meiner ganz ureigensten Ebene, kann von mir behaupten, dass es mir wirklich egal ist, wer da vor mir steht.

Wer nett zu mir ist, zu dem bin ich auch nett.

Und wer mich scheiße behandelt, den find ich scheiße. Egal wer oder was er ist.


Facebook ist nur Meinungen. Die einzige Handlung, die man dort wirklich tun kann, ist Leute entfreunden und auch das ist passiv. Man kann dort niemanden erziehen. Man kann selbst ein Vorbild sein, und andere zum Nachdenken bringen, sie erleuchten. Das geht.

Aber echte (politische) Diskussionen? Ich bezweifel es.


Naja, und weil das alles so ist. Und ich mich nicht stundenlang rechtfertigen wollte, warum ich den Schweiger (immer noch) doof finde, und den Gabriel und die ganze Sache, sie aber trotzdem falsch finde ... weil ich es falsch finde, was da gerade passiert, hab ich keinen Facebookeintrag geschrieben, sondern diesen Blogeintrag.


Es ist falsch, was gerade geschieht. Weltweit. Es werden zuviele Kriege aus den falschen Gründen geführt, was zu zuvielen Flüchtlingen führt. Der Fokus des Lebens ist falsch: es ist nicht die Menge an Geld, die einen reich macht, aber wenn man keines besitzt und nie Chancen bekommt, dann ist das auch falsch.

Wir haben es verlernt, basic zu sein. Dem anderen zu begegnen und von ihm eine Zusammenarbeit erwarten zu können. Denn das ist es doch, was uns eigentlich zu einer Gruppe macht. Als Einzelkämpfer ist der Mensch jämmerlich, er hätte es nie so weit gebracht. Es ist die Gruppe, die Masse, die ihn stark macht. Und anstatt dass wir die Masse nutzen, um die Verhältnisse zu regeln, nutzen wir sie, um Katzenbilder und Unfallvideos zu posten. Warum? Weil ich leider glaube, dass auch Avaaz und wie sie alle heissen wieder unterwandert sind. Petitionen gegen dies und das. Globale Aufregereien, Kräfte werden verschleudert um Wale zu retten und dann ...

... dann ist nichts mehr übrig für den Nebenmann, für den Flüchtling im eigenen Land, weil man ausgebrannt ist, nicht mehr weiß, was richtig und falsch ist, weil man sich verraten und verkauft fühlt.


Und nochmal muss ich mich erklären: ich habe nichts dagegen, Meinungen zu sagen. Jeder soll Meinungen haben und sie sagen. Das ist wichtig und ein Grundrecht. Aber jeder sollte sich klar sein, dass seine Meinung eigentlich nur ein Vorurteil ist. Dass es immer viele Seiten gibt, dass die Dinge oft komplexer sind, als man das erahnt.

Aber Meinungen zu haben und der Diskurs darüber sind ein Luxus, den wir uns erlauben dürfen und müssen. Wenn wir allein wären, und uns selbst versorgen müssten, also für alles, jedes bisschen ... dann hätten wir keine zeit für Meinungen zur Walschlachtung. Weil dann würden wir nur an Essen, trinken und Kleidung denken würden. Ans Überleben.


Und damit sind wir wieder bei den Flüchtlingen. Die haben nur noch so einen Horizont: Überleben. Und wir ... wir begegnen ihnen mit unseren Luxusbedenken. Wir lassen zu, dass die Schlechtesten unter uns ein Bild prägen, bei welchem man sich beschämt abwenden muss.


Ich kann das alles nicht so sagen, wie ich das gerne möchte. Ich kann nur meine eigenen Handlungen wirklich kontrollieren. Und ich kann nur meine direkte Umwelt beeinflussen. Ich kann nur tun, was ich tun kann. Und das hieß heute morgen: nichts über den Herrn Schweiger und den Gabriel schreiben. Hat die Welt zwar nicht besser gemacht, aber auch nicht schlechter.