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Narrative, Teil 2: Kontrolle

Im letzten Blog-Artikel zitierte ich den Satz: Controlling the narrative - Das Narrativ kontrollieren.

Kann man das überhaupt?

Naja, versuchen kann man es. Wie in der Facebook-Diskussion schon jemand sehr hilfreich erklärte: Man passt seine Erzählungen ja an. Man passt irgendwann auch sein Denken an. So weit, dass man denkt, das, was man erzählt, wäre die Wahrheit.

Das ist also das eigene Narrativ - das, was man den anderen von sich erzählt.

Und dann gibt es das, was die Leute erzählen. Von dir. Oder von der jeweiligen Situation.

Und beides will man nun kontrollieren?

Ja, das geht. Bedingt.

Kontrolle ist ja etwas, was uns Sicherheit gibt. Das fängt schon bei Kleidung, Frisur und Schminke an, denn die Menschen sehen uns ja zuerst. Bevor man sich noch erklärt hat. Tattoos sind ein gutes Beispiel. Schwupp ist man immer noch eine Art Asi. A-sozial. (Was übrigens tatsächlich nicht mehr bedeutet, dass man keine Menschen mag, sondern möglicherweise Sozialhilfe bezieht.) (und das sollte eigentlich nicht Assi abgekürzt werden, denn was soll das bedeuten? Assel? As-Sozialer (So ein Fdp-ler, der eigentlich reich geerbt hat, aber einen auf sozial engagiert macht?))

Für Promis gibt es einen Haufen Stylisten, die dieses "Image" dann herstellen. Aber das klappt auch nur bedingt. Wer kennt sie nicht, diese 5000 Fotos, von denen man auf 4996 Scheiße aussieht? Drum sind sie - die Promis - schick, so lange sie nicht blinzeln oder sich mit dem kleinen Finger im Mund rumpulen.

Oder die Fotos von Promi-Paaren, die etwas beweisen sollen. "Sie sind einander zugewandt", sagte der Körpersprach-Experte. Drei Fotos weiter musste Prinzesschen aber mal drauf achten, wie sie die Treppe heruntergeht, wendet sich also diesem Problem zu (und vom Prinzlein ab) und schwupp heisst der der entstandene Schnappschuss: "Es herrscht eisige Kälte zwischen ihnen."

 

Ich hab einige Kollegen, die Pseudonyme haben, mehrere Webseiten und andere Dinge, um Kontrolle über die Außenwahrnehmung zu haben. Anstrengend ... 

 

Ich kontrolliere natürlich auch. Allerdings habe ich in meinem Leben viel über Kontrolle nachgedacht. Ich stellte fest, dass die unsichersten Menschen am stärksten kontrollieren. Vielleicht ist das ne Binsenweisheit, aber sie glauben, indem sie alles "im Griff haben", als Pläne für jedwedes Ereignis in der Schublade haben, ebenso Zeitpläne und Denkpläne, dann würde alles "gut". Oder eben einfach nur kontrolliert?

Ist es nicht eine Illusion? Ist es wirklich gut, alles geregelt zu haben?

Und kommen wir zurück zum Narrativ: Was wollen wir dann aussagen? Wir haben alles unter Kontrolle? Wir sind sicher, wir sind verlässlich?

Ich bin oft verblüfft, wie viel Energie in diese Kontrolle fließt. Energie, die ich völlig anders nutze. Statt mir im Vorfeld alles auszumalen, lass ich es auf mich zukommen. Sicher, ein Mindestmaß an Kontrolle hab ich auch. Das macht uns Menschen ja aus. Aber ich versuche eben keine Zeit damit zu verschwenden, für alle möglichen Gegebenheiten gewappnet zu sein.

 

Wenn ich aber ein Narrativ kontrollieren will, dann ist das ganz einfach. Ich poste zb nur ungern, dass es mir schlecht geht. Warum? Die Leute sind doch dann immer so lieb? Ja, sicher sind sie das. Aber ich hab einige Menschen, die posten das andauernd. Die posten eigentlich nur, dass es ihnen schlecht geht, dass sie die Welt doof finden und wie sehr alles lästig und übel ist. Und manche davon kenne ich gut und weiß, dass sie eigentlich gar nicht so sind, andere ... da denke ich: Mann, was bist du für ein anstrengender Mensch.

Ich hab kein Problem damit, wenn mich jemand als anstrengend empfindet! Ich mach das manchmal bewusst (auch hier: Kontrolle). Ich poste unangenehme Standpunkte. Sage meine Meinung.

Aber meine persönlichen Befindlichkeiten? Die gehören mir. Ich möchte da kein Urteil von irgendjemandem drüber. Wenn ich es dann doch tue, und all diese Ratschläge bekomme ... das bessert meine Laune oft nicht.

Und drum mache ich es meist nicht.

Ich sitz aber nicht hier und denk: Das geht niemanden was an!

Ich will es mal so ausdrücken. Es gibt Dinge, die gehen von mir aus (stellt euch so Pfeile vor, die von mir weg zeigen) und es gibt Dinge, die gehen zu mir. Und wenn zu viele Pfeile auf mich zeigen, dann finde ich das komisch. 

"Das geht niemanden was an" wäre ein Pfeil, der von mir auf andere zeigt. Ich glaube aber, dass ich das Verhalten der anderen weder kontrollieren, noch wirklich gut vorhersagen kann. Also versuche ich eigentlich, so wenig wie möglich darüber nachzudenken!

"Ich möchte keine Ratschläge bekommen, also poste ich nicht, dass es mir schlecht geht", ist eine Aktion, die nicht auf andere hinweist. Sie hat ausschließlich mit mir, meiner inneren Einstellung zu tun. Natürlich bedeutet das für die Außenstehenden, dass sie nicht reagieren können, also ist es indirekt auch eine Art Kontrolle ...

ABER: Ich kontrolliere damit meine Ausgangshaltung! Meine innere Einstellung, also MICH. Alles andere fließt um mich herum.

Das ganze ist sehr von östlichen Weisheiten geprägt. Das Handeln durch Nicht-Handeln (wuwei) ist mir sehr wichtig. Ich tue Dinge, erwarte aber nicht von anderen dass sie darauf reagieren. Ich handle, aber nur so, wie ich eben handeln möchte, aus meinem ureigenen Ursprung heraus.

Das hat entscheidende Vor- und Nachteile.

Nachteil: Ich kann niemand anderen verantwortlich machen. Also für ... mein Unglück oder sowas.

Vorteil: Ich muss mir nicht dauernd über andere den Kopf zerbrechen. Ich tu, was ich tun möchte, im Einklang mit meinen Maximen und was die anderen tun, kann ich dann beobachten. Es ist ja nicht so, dass es mich nicht interessiert. Ich liebe auch den Diskurs. Und ich hab auch die Weisheit nicht gepachtet. Wer nicht lernt, der ist tot.

Wenn ich also mein Narrativ nur in der Hinsicht kontrolliere, dass ich mich selbst immer wieder nach meinen inneren Werten kalibriere, dann lebe ich ein Leben unbeschwert von den Meinungen anderer.

 

Was ich also erreichen will -Sicherheit, siehe meinen letzten Artikel- kann ich fast nur aus mir selbst heraus bekommen.

 

Ich glaube aber, dass dieser Artikel noch nicht der letzte meiner Gedanken dazu ist, denn es ist nochmal ein Unterschied, ob ich über mein inneres Narrativ (also meine Gedanken zu mir selbst und meinem Leben) rede, oder das äußere (also was ich anderen über mich erzähle, über meine Arbeit, was andere aus meiner Arbeit machen, was sie über mich erzählen ... etc).

 

Außerdem ist das alles noch sehr durcheinander - aber will ich das geordneter? (hihi) 

Antwort: Ja, eigentlich schon denn: Narrative sind wichtig. Es macht einen Riesenunterscheid im Energiehaushalt. Es definiert, wie ich mit mir und meiner Welt interagiere, wie ich mich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fühle und verhalte. (Siehe den Satz: "Es ist nie zu spät, eine miese Kindheit gehabt zu haben." Könnte der nicht auch heißen: "Es ist nie zu spät, eine schöne Kindheit gehabt zu haben?" oder gar: "Es ist nie zu spät, dennoch ein schönes Erwachsenenleben zu führen?")

 

Naja, bis demnächst ... Alles Liebe!

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