Ich bin nicht nur auf Facebook und Instagram, sondern auch ab und zu auf Threads unterwegs. Ich war nie wirklich auf Twitter, aber man sagt, dass Threads ähnlich wäre.
Ich hasse den Ton dort, liebe aber die Stories. Menschen erzählen Geschichten, die ihnen (angeblich) passiert sind. Es sei mal dahingestellt, ob manches stimmt, jedenfalls lese ich sowas gerne.
Man bildet sich ja dann eine Bubble, indem man etwas liked und anderes nicht. Ich bin selbstverständlich in die Buchmenschenbubble geraten. Dort tummeln sich Leser:innen und Autor:innen gleichermaßen und treiben die jeweiligen Schweine durch das virtuelle Dorf.
Lustigerweise gibt es gerade wieder ein Lektorgate: Nur Bücher mit Lektorat dürfen sich auf einer nächsthöheren Stufe wähnen.
Ich sag da nix mehr zu, ist mir zu mühsam. Ich hab für mich entschieden, wie ich schreibe und wen ich da reingucken lasse. Das hat auch was mit Erfahrung zu tun und dem Gefühl, dass ich auch nicht mehr Geld verdiene, wenn ich mehr Geld vorher ausgebe. Sorry für alle Lektor:innen. Aber ich hab mir Feuilleton und Buchpreise längst von der Bucketlist geschrubbt.
Jetzt war da aber eine Frau (ich bin nicht der Typ, der Leute dann stalkt, ich weiß also nicht, was sie genau ist) aber sie sagte (sinngemäß):
"Liebe Autor:innen, wie sag ich euch nur nett, dass ihr nicht rumjammern sollt, wenn keiner eure Bücher kauft? Niemand will das hören."
Ich war auch mal eine, der die Sonne jeden Tag aus dem Arsch geschienen hat. Ich hab ein helles Gemüt gehabt, nichts konnte mich umwerfen. Ich war fröhlich, optimistisch und immer zu allem bereit. Hauptsache vorwärts und so.
Und ich hätte das auch unterschrieben. Nichts ist so abtörnend, wie das Rumjammern. Manchmal guckt man dann, warum denn keiner die Bücher des Jammernden kauft, meistens aber denkt man eher sowas wie: Wird schon seinen Grund haben.
Viele Autoren sind total blauäugig und das ist vielleicht auch gut so. Sie rennen los, sie haben jetzt endlich DAS Buch geschrieben, sie werden es sicher meistbietend an einen Verlag verkaufen oder Tonnen von Zaster mit Selfpublishing verdienen! Und dann ist da ja noch dieser nette Verlag, dem man nur ein paar Euro gibt, dann macht der ALLES für einen!
Man kann dann als jemand, der das schon ein paar Jahre macht förmlich zuschauen, wie der Zug vor die Wand fährt. Bumms. Und dann hört man meist nie wieder was. Oder eben kurz mal Gejammer.
Bei mir hat sich was verändert. Mein Selbstbewusstsein ist in Urlaub. Ich wach nicht mehr mit Tatendrang auf. Ich zweifle an meinen Fähigkeiten, ich finde alles schrecklich, oder ich finde es schön, weiß aber, dass ich es nur einer Handvoll Menschen verkaufen werde. Ich bin da sehr realistisch. Das macht mich alles traurig und ab und zu sage ich das auch.
Was mich jetzt umtreibt ist folgendes: Ich tue jetzt etwas, was ich mal blöd fand. Und natürlich finde ich es jetzt nicht blöd, sondern völlig in Ordnung. Weil ich ja meine Gründe kenne. Weil ich auch zeigen kann und will dass es so ist. Es geht halt auf und ab. Und vielleicht liest es ja jemand und hat Ideen oder fühlt sich nicht allein oder es nutzt ihm gar, wie ich damit umgehe.
Und jetzt kommt der Ärger: Menschen, die ich eigentlich schätze, haben auf Threads diesen Beitrag "unterschrieben". Also quasi gesagt: Ja, Autor:innen, macht das nicht.
Und ich bin sehr traurig darüber. Denn am Ende bedeutet es nur eines: Leid soll internalisiert werden. Behalt es für dich, dass du erfolglos bist. Behalt es für dich, dass du nicht verstehst, was du falsch gemacht hast. Wir wollen es nicht lesen/hören/wissen.
Warum machen die das? Warum habe ich das gemacht? Ich denke, die haben die gleichen Gründe, wie ich damals und noch mehr: Es sind nämlich (im Gegensatz zu mir) recht erfolgreiche Menschen. Und die neigen dazu, eine ganz besondere Spezies zu sein. Sie zeigen Leid nicht. Sie "grinden" wie man neudeutsch so schön sagt. Sie ackern sich durch und lächeln. Und dann hacken sie noch ein bisschen auf Gen Z rum.
Was ist so schlimm daran, zuzugeben, dass man nicht mehr kann, nicht gut genug ist, es vielleicht auch nicht einsieht, das Spiel vom "harten Mann/der toughen Frau" mitzuspielen? Dass man die preußischen Ideale des unbezahlten Praktikums, der endlosen Überstunden, der ewigen Erreichbarkeit und des standhaften Zinnsoldaten nicht mehr mitspielen will, weil ... warum?
Ich weiß inzwischen einige Dinge der Branche, die mir klar machen, dass ich allen Grund habe, realistisch zu sein und zu sagen: Dann ist das so. Dann bleib ich die "ich druck immer nur so 50-100 Stück meiner Bücher, weil mehr brauch ich nicht" Autorin, die einen kleinen Kreis bedient und sich den Rest ihrer Zeit mit Häkeln, Malen und Basteln vertreibt.
Wenn ich mehr wollen würde müsste ich:
- einen Agenten haben, bei Verlagen vorsprechen
- im Klüngel mitmachen (Also Autoren empfehlen Autoren, nehmen sich mit auf Veranstaltungen, machen Dinge zusammen)
- mir für das letzte Rest Sonne in mir drin den Arsch aufreißen, damit sie sich nach Draußen ergießt und den Eindruck vermittelt, ich wäre der heiße Scheiß (uh, ich liebe diese Formulierung)
Mach ich alles nicht (genug). Ich bin nicht traurig drüber, das sind alles meine Entscheidungen! Drum klage ich auch nicht - und jetzt kommt das wichtige Wort - an, sondern ich klage ... ich klage/trauere den Tagen hinterher, wo ich mehr Sonne in mir drin hatte. Wo ich aus Nichts mehr zaubern konnte. Wo ich einfach mehr Mut und Lust hatte.
Und ganz ehrlich, ihr schon ein bisschen arroganten Bestseller/Erfolgs- Autor:innen: Das nehm ich mir raus. Ich möchte es nicht in mir drin behalten, denn das gehört für mich zu einer empathischen Gesellschaft: dass man sowas mal sagen darf. Dass man Leid und Probleme aussprechen darf.
Man soll sich nicht darin suhlen oder irgendwie von Leuten verlangen, dass sie es für einen richten, aber ... zu sagen, man soll es in sich selbst verschließen wie einen miesen Komposthaufen, der vor sich hingärt und stinkt ... in der Hoffnung am Ende käme tollster Humus raus ... ach, kommt, das ist doch antiquiert.
Nein: ich will drüber reden. Und auch die andere sollen das dürfen. Und dann helfen wir uns gegenseitig oder eben nicht. Aber ausgesprochenes/geteiltes Leid ist nur noch halb so schlimm.
Danke fürs Zuhören/Lesen.
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Katherina Ushachov (Freitag, 27 September 2024 12:20)
Oh, so toxische Positivität oder auch dieses "Jede*r kann sich x Stunden am Tag fürs Schreiben freiräumen, ihr müsst halt nur andere sinnlose Zeitvertreibe weglassen und ansonsten, Selbstoptimieeeerung bis zum Totumfallen! Das ist der Key zum Erfolg!" habe ich ja schon seit Jahren gefressen.
Ich kann das rein physisch nicht, ich will das nicht und bin da bei dir, wenn mir irgendwo in der Buchbubble diese Arroganz begegnet, denke ich inzwischen meinen Teil. Überzeugen kannst du so Leute eh nicht, entweder lernen sie es irgendwann, weil du auf diese Art und Weise früher oder später krass ausbremst und frei nach dem Motto "Wenn du keine Pausen einplanst, entscheidet früher oder später dein Körper für dich, wann Pause ist", oder ... sie lernen es selbst dann nicht und brennen noch härter aus und dann geht gar nichts mehr.
Aber wenn du den Leuten, die so argumentieren, mit Vernunft kommst, dann heißt es, du redest dich nur raus und hast das falsche Mindset. Been there, done that, keinen Bock mehr.
So wie du es machst, machst du es schon sehr richtig. Zwischendurch mal venten, ehrlich sein. Tiere kuscheln.
<3
Anja (Sonntag, 29 September 2024 09:01)
LIebe Anja,
okay, ich bin auch nicht der Fan Deiner Bücher, aber das liegt daran, das mir einfach die Genre nicht liegt. Aber ich mag Dich als Person, als Steampunk! Und ich kenne Dich als immer fröhliche Person!. Ich treffe Dich gerne auf der Buchmesse in Leipzig und freue mich jedes Mal.
Mach Dir keine zuvielen Gedanken. Im Grunde hast du Deine Fangemeinschaft und ich sage immer Qualtiät zählt vor Quantität!! Also, bleib bitte bei Deiner Qualität.
Liebe Grüße
Deine Namensvetterin :-)
Michael (der von den Kuhns) (Samstag, 26 Oktober 2024 14:40)
Hey Anja, ein wirklich schöner Beitrag. Bittersüße Worte über eine Branche, die es verlernt hat, ehrlich zu sein. Ich schreibe ja auch nebenbei und ich weiß, dass ich nie einen Bestseller schreiben werde. Muss ich auch nicht. Und mit diesem Wissen nicht perfekt sein zu müssen, lebt es sich leichter. Ich hoffe du erhälst dir ein kleines bisschen deiner Positivität und alles andere im Leben passiert einfach.